Die Bevölkerung darf nicht polarisieren!

Düsseldorf, den 28.01.2015

Dr_Walter_Borjans

Finanzminister Dr. Walter Borjans

 Interview mit dem Finanzminister von NRW Dr. Norbert Walter-Borjans

 Von Federico Bartmann

Ende Januar habe ich, während meines Schülerpraktikums im Landtag, den Finanzminister von NRW, Herrn Norbert Walter-Borjans,für die „Monte-Times“ interviewt. Hier das Interview.

Federico: Herr Minister, welche Eigenschaften sollten einen Finanzminister auszeichnen?

Walter-Borjans: Ersteinmal sollte man die Notwendigkeit darin sehen, einen Haushalt auszugleichen. Ein Finanzminister muss dafür sorgen, das Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht sind. Währenddessen darf er aber nicht die Pflichten des Landes vernachlässigen, wie zum Beispiel die Instandhaltung von Straßen und Schulen. Man sollte beide Punkte also miteinander verbinden. Der Finanzminister ist letztlich der, der beurteilen muss, ob der finanzielle Rahmen stimmt, ob das Geld ausreicht.

Federico: In welchen Bereichen sind Sie als Finanzminister tätig?

Walter-Borjans: Das sind sehr viele Bereiche, die zum Teil überhaupt nicht richtig wahrgenommen werden. Natürlich ist der Finanzminister erst einmal ein „Haushaltsminister“, der vor der zentralen Frage steht: Wie kommen Einnahmen und Ausgaben in Übereinstimmung? – Der Finanzminister von NRW setzt sich natürlich auch für Steuergerechtigkeit ein. Wir verfolgen Steuerhinterziehung, weil jemand, der keine Steuern zahlt, der Gesellschaft Geld entzieht, das ihr zusteht, Geld, das zum Beispiel dringend für Bildung und für Straßen gebraucht wird. Wenn jemand Millionen in die Schweiz bringt, dann hindert er den Staat daran, seinen Pflichten nachzukommen, da diese Millionen für Ausbau und Instandsetzung unserer öffentlichen Infrastruktur nicht da sind, aber da sein sollten!

Federico: Haben Sie auch Einfluss im Bereich Bildung und Jugend?

Walter-Borjans: Ja, da man zwangsläufig auf alles Einfluss hat, weil das, was für das eine eingesetzt wird, für das andere nicht mehr zur Verfügung steht. Das kannst du dir vorstellen wie in einem Aufzug, in dem 10 Leute stehen. Wenn einer sagt, er bräuchte mehr Platz für sich, dann hat dies Einfluss auf die andern, die dann mit weniger Platz auskommen müssen. Man kann ja nicht einfach den Aufzugschacht vergrößern. So ist das auch mit dem Haushalt.

Federico: In NRW sind fast 20 Prozent aller Kinder unter 15 Jahren von Armut bedroht. Was können Sie als Finanzminister dagegen unternehmen?

Walter-Borjans: Es gibt in einem reichen Land wie NRW auch einen erheblichen Anteil armer Menschen. NRW ist eines der reichsten Bundesländer, aber es werden immer weniger, die immer mehr Anteile des Vermögens besitzen. In jedem Jahr wächst das Geldvermögen der Deutschen um 150 bis 180 Milliarden Euro. Aber dieses Vermögen konzentriert sich, wie gesagt, nur auf sehr wenige. Und deswegen ist die Frage am Ende immer wieder dieselbe: Wenn wir keine Armut hinnehmen wollen, dann müssen wir darüber reden, dass die, bei denen sich der Reichtum konzentriert, auch angemessen an der Finanzierung beteiligt werden, in etwa durch das Thema Vermögenssteuer. Wenn sich bei den Reichen alles häuft und bei den anderen nichts bleibt, dann kann Armut in Deutschland nicht eingedämmt werden…

Federico: … das wäre also eine Lösungsmaßnahme, die Sie ergreifen würden?

Walter-Borjans: Ja, wie gesagt, wenn die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter wächst, werden wir große Probleme haben, die Armut in NRW wieder zu vermindern.

Federico: Laut einer Studie lebt in Köln mehr als jeder Vierte unter der Armutsschwelle, ein Topmanager von VW verdient dagegen 17 Mio. Euro im Jahr. Wie sehen Sie unsere Gesellschaft vor dieser Tatsache?

Walter-Borjans: Das bestätigt doch wieder, dass die Reichen reicher werden und die Armen immer mehr werden. Die Rechnung, dass man Armut bekämpfen kann, ohne, dass sich die Reichen beteiligen, wird nicht aufgehen. Das Geld kommt nicht einfach irgendwo her. Es gibt Stimmen aus der Opposition, die sagen, dass erst erwirtschaftet werden muss, bevor verteilt werden kann. An dem Punkt aber, an dem jemand 17 Millionen Euro verdient, stellt sich doch die Frage, ob hier nicht endlich über das Verteilen geredet werden kann.

Federico: In den Medien heißt es oft, dass Deutschland eines der reichsten Länder der Welt sei, andererseits wird uns Schülern oft gesagt, dass es immer schwieriger werde, sich eine sichere Zukunft aufzubauen. Welche Zukunftsperspektiven sehen Sie für meine Generation heute? 

Walter-Borjans: Ich glaube, dass die Perspektiven größer sind, als ich gedacht habe, bevor ich selbst Kinder bekam. Wenn man sich bewusst wird, wie wichtig der Schlüssel Bildung ist, gerade in einem hochindustrialisierten Land wie Deutschland, dann sollte man dies sehr ernst nehmen, dann stehen die Chancen auf Wohlstand auch entsprechend hoch.                                                                                                      

Federico: Wieso macht es für Jugendliche Sinn, sich in der Politik zu engagieren?

Walter-Borjans: Sinn macht es, wenn man sich umsieht, was gerade eigentlich passiert: Die Terroristen in Frankreich und die Gegenbewegung in Dresden Pegida, die von radikalen Rechten ausgenutzt wird. – Die Bevölkerung darf nicht polarisieren; es ist dasselbe wie mit den Armen und den Reichen. Darin sehe ich ein ganz entscheidendes Risiko für unsere Demokratie, unser Wertesystem und unsere Vielfalt. Deshalb braucht die Politik die jungen Leute, die sich bei diesen Streitfragen einbringen müssen und diese Konflikte nicht einfach vorbeiziehen lassen sollten.

Sonst sind wir ganz schnell, alles, was wir uns nach der bitteren Erfahrung des Zweiten Weltkrieges hart aufgebaut haben, wieder los.

Federico: Herr Finanzminister, im Namen der Monte-Times danke ich Ihnen für das Gespräch.

© Federico Bartmann

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